Ende November diesen Jahres ging ein Aufschrei durch die Medien und Unternehmenswelt Deutschlands: die Große Koalition einigte sich auf eine verbindliche Frauenquote in allen börsennotierten Unternehmen. Von den einen gelobt als längst überfälliger Vorstoß für mehr Geschlechtergerechtigkeit, von den anderen kritisiert als wirkungslos, wettbewerbsverzerrend und männerdiskriminierend, rückt der Gesetzesentwurf ein Problem in den Mittelpunkt, das bereits seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, immer wieder heiß diskutiert wird: die Rollen und Chancen von Frauen in der Wirtschaft.
Frauen in Führungspositionen
Denn die Erfahrung hat gezeigt: freiwillige Selbstvorgaben zu mehr Frauenförderungen haben in Deutschland kaum Wirkung entfaltet und zu Veränderung geführt. Obwohl Frauen knapp die Hälfte der berufstätigen Bevölkerung ausmachen, liegt ihr Anteil in der obersten Führungsebene I, dem Top-Management, bei 26 Prozent und verharrt seit mehreren Jahren stagnant auf diesem Niveau. In den Aufsichtsräten und Vorständen sieht es noch dunkler aus, was gender equality anbelangt. Die Frauenquote in Vorständen der 30 DAX-Unternehmen liegt immer noch nur bei 12,8 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr sogar gesunken. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich was Frauen in Führungsetagen anbelangt weit zurück und wird von vielen anderen Ländern wie Großbritannien oder den Vereinigten Staaten geschlagen.
Einkommen von Frauen
Ähnlich düster um die Gleichberechtigung der Geschlechter sieht es bei den Einkommen und Löhnen aus: der letzte Bericht des World Economic Forum (WEF) berichtet, dass Frauen weltweit im Durchschnitt mit $11.000 (internationale Dollar, Purchasing Power Parity) fast die Hälfte der Einkommen der Männer ($21.000 PPP) zur Verfügung stehen. Diese riesige Einkommenslücke ist zurückzuführen auf die anhaltende strukturelle Benachteiligung von Mädchen und Frauen in Bereichen wie Bildung, Besitz und Arbeit.
Schaut man sich Löhne und Bezahlung für gleiche Arbeit an, ist diese Gender Pay Gap geringer. Doch auch hier stimmen alle Statistiken trotz unterschiedlicher Berechnungsmethoden überein: in keinem Land der Welt werden Frauen gleich entlohnt – selbst nicht, wenn sie gleiche Ausbildung und Erfahrung aufweisen aufgrund von subtilen Diskriminierungsmustern. In Deutschland beispielsweise verdienen Frauen laut WEF brutto durchschnittlich 30,5 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, in Ruanda 38,9 Prozent.
Auch wenn es in Ruanda überdurchschnittlich viele Frauen in politischen Führungsposten gibt (61,5 Prozent der Parlamentsabgeordneten) und einige große Firmen wie RwandAir oder Bank of Kigali von Frauen geleitet werden, mangelt es auch hier an weiblichen Figuren in Seniorpositionen. Dafür weist Ruanda mit 84 Prozent weltweit die höchste weibliche Partizipationsrate am Arbeitsmarkt – der globale Durchschnitt liegt nur bei 47 Prozent.
Yvonne Manzi Makolo, CEO von RwandAir seit 2009 (Foto: Twitter RwandAir)
Was bringt eine Frauenquote?
Geschlechtergerechtigkeit wird weiterhin oft als Nullsummenspiel wahrgenommen: mehr Chancen für Frauen hieße weniger Chancen für Männer, Frauenquoten bedeuteten Diskriminierung von kompetenten Männern. Dabei zeigen Studien, dass dies nicht der Fall ist, sondern alle können von mehr Gleichheit unter den Geschlechtern auf allen Ebenen der Wirtschaftswelt profitieren.
Die Ausschöpfung der ungenutzten wirtschaftlichen Potentiale von Frauen kann nicht nur sozialen, sondern auch ökonomischen Mehrwert bringen. Würden Frauen in ihrem vollen Potential arbeiten, schätzt McKinsey, würde dies die Produktivität der gesamten Wirtschaft steigern und jährlich 26 Prozent (28 Billiarden US-Dollar) zum globalen BIP hinzufügen. Viele Studien haben auch immer wieder nahegelegt, dass Unternehmen mit hohem Frauenanteil in den Chefsesseln höhere Gewinne erwirtschaften.
Ursachen der Benachteiligung
Die Gründe für die fortbestehende Glasdecke für Frauen in der Businesswelt sind vielschichtig, hier eine kleine Auswahl:
- Fehlende weibliche Vorbilder in Führungsebenen, die eine entsprechende pull-Wirkung und Motivation für junge Frauen in der Arbeitswelt darstellen sowie eine „Normalisierung“ der Geschlechterdiversität in den Chefetagen bewirken würde.
- Der Faktor Familie und unbezahlte Pflegearbeit, der potentielle Einstellungen und Aufstieg abbremst, für Unterbrechungen und eingeschränkte zeitliche Verfügbarkeit sorgt und sich damit auch negativ auf Einkommen auswirkt – und weiterhin größtenteils von den weiblichen Familienmitgliedern übernommen wird.
- Rollenbehaftete, stereotype Fremd- und Eigenwahrnehmung von Frauen: oft werden ihnen Führungskompetenzen abgesprochen und ihnen (wenn auch unterbewusst) Schwäche oder Emotionalität unterstellt – was sich schließlich auch in Wahrnehmung und Auftreten bei Frauen selbst internalisiert. (In der Europäischen Zentralbank bewerben sich beispielsweise Frauen immer seltener als Männer auf Führungsstellen, obwohl sie im Falle einer Bewerbung öfter befördert werden).
An Mangel an ausreichend ausgebildeten, kompetenten und interessierten Frauen kann ihre Unterrepräsentiertheit in Leitungspositionen (zumindest hierzulande) jeweils nicht liegen: seit Jahren schließen Studentinnen Studium und Ausbildung besser ab als ihre männlichen Mitstreiter und im mittleren Management hat sich eine solide Basis an Frauen mit Erfahrung herausgebildet.
Wege zu mehr Gleichstellung
Egal ob man nun die Frauenquote als sinnvolle Maßnahme befürwortet oder andere Strategien bevorzugt, eins ist klar: es gibt Handlungsbedarf, um Frauen und Männern die gleichen Chancen im Business zu ermöglichen – und zwar weltweit.
Diese Anstrengungen müssen gemeinschaftlich geschehen und alle sollten an einem Strang ziehen. Denn Studien zeigen: wenn nur Frauen an Diskussionen um Gleichstellung innerhalb von Unternehmen beteiligt sind, gibt es nur in weniger als einem Drittel der Fälle Fortschritte; wenn jedoch sowohl Männer als auch Frauen in dem Prozess involviert sind, steigt dessen Erfolgswahrscheinlichkeit auf 96 Prozent.
Allerdings werden die Anstrengungen trotz alledem oft nicht gemainstreamed und zur Querschnittsaufgabe aller gemacht. Geschlechter-Diversitäts-Initiativen sind oft nur darauf ausgerichtet, Frauen und ihre Eigenschaften (ihre Führungsqualitäten, Networking, Sprache, Auftreten) zu verändern, um mehr dem vorherrschenden Führungsideal zu gleichen. Dieser individualistische Ansatz kann jedoch die subtilen strukturellen Probleme eines patriarchalisch basierten Systems nicht lösen. Zu sehr ist Führungskompetenz noch immer androzentrisch, auf „männlichen Eigenschaften“ wie Autorität und Durchsetzungsfähigkeit, Strapazierfähigkeit, Risikofreudigkeit und kühler Rationalität konzipiert – Eigenschaften, die Frauen oft unterbewusst abgeschrieben werden.
Auch kann das offene Eintreten für Gleichberechtigung von Männern ihrem Ansehen schaden: Männer, die kooperativer, machtteilend und weniger selbstdarstellerisch sind, werden als schwächer und weniger kompetent eingeschätzt und sie werden mit dem Objekt der Solidarität, den Frauen, gleichgesetzt.
Es kann jedoch auch genau zum Gegenteil kommen: Männern, die sich für Selbstverständlichkeiten wie dem Respekt gegenüber Frauen oder Gleichberechtigung einsetzen, werden als Helden gefeiert. Ihnen wird eine Sonderrolle dafür eingeräumt, ohne selbst von Benachteiligungen betroffen zu sein und die Thematik in Tiefe zu kennen. Dieses Paradoxon wird auch als Pedestal Effect (Podiumseffekt) beschrieben und ist ebenso in anderen Bewegungen von diskriminierten, marginalisierten Gruppen zu beobachten. Dass oberflächliche Solidaritätsbekundungen und invasive Einmischungen in feministische Diskurse von Männern und Firmen als heuchlerisches Aufpolieren des Rufes (Stichwort pink washing) wirken und zu Frust führen können, ist deshalb verständlich.
Fazit
Die Grundsatzfrage, ob privilegierte Gruppen sich in Emanzipationskämpfe von systematisch Benachteiligten einmischen dürfen oder sogar müssen, kann hier nicht zur Gänze geklärt werden.
Klar ist jedoch: es muss sich etwas an den Strukturen und Firmenkulturen ändern. Vermeintlich „weibliche Eigenschaften“ (ob sie nun auf Frauen zutreffen oder nicht) dürfen nicht als inferior bewertet werden und wir sollten tagtäglich unsere unterbewussten Vorurteile, Vorstellungen von Führungskompetenz sowie die Strukturen am Arbeitsplatz hinterfragen. Andere Familien- und Arbeitsmodelle wie Jobsharing- und Teilzeitvarianten, Bezahlung von Carework und Elternunterstützung sollten ausprobiert werden. Und wir sollten uns noch mehr dessen bewusst werden, dass dies kein „Frauenproblem“ darstellt, das nur eine Gruppe betrifft oder sich irgendwann von selbst löst, sondern ein Gesellschaftsthema ist, an dem alle gemeinsam arbeiten müssen.
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